Die Kunst der Mülltrennung

Die Deutschen sind Sortierer – sie teilen auf, zerlegen, klassifizieren, nehmen auseinander. Und weil damit die Arbeit noch nicht zu Ende ist, setzen sie Auseinandergenommenes auch gerne wieder zusammen. Damit das was übrig bleibt, eine neue Bestimmung finden möge. Glasflaschen zum Beispiel oder Papier.

Die Idee des Recyclings ist so alt wie das antike Rom. Dort wurde zwar noch nicht maschinell gearbeitet, dafür aber mit Fäkalien der Boden gedüngt. Getrennt hat damals bestimmt noch niemand.

In Deutschland wurde zu Beginn der 90er Jahre mit der Verpackungsverordnung ein Farbleitsystem für den Hausmüll eingeführt: blau für Papier, braun für Kompost, gelb für Verpackungen und grau für den Rest. Von den ca. 450 Kilo Hausmüll den jeder Deutsche im Schnitt ansammelt, landen immerhin nur noch 45 Prozent in der grauen Restmülltonne. Mehr als die Hälfte wird getrennt.

Außerdem sind Händler verpflichtet, defekte Elektrogeräte zurück zu nehmen und ordnungsgemäß zu entsorgen. Für Batterien gibt es in fast jedem Supermarkt einen Sammelbehälter. Und abgelaufene Medikamente bringen wir zurück in die Apotheken. Zumindest theoretisch.

Für alles Weitere, meistens Sperrmüll, gibt es den Wertstoffhof. Im Gegensatz zu den bunten Tonnen bzw. in manchen Orten auch Säcken, die abgeholt werden, müssen größere aussortierte Gegenstände selbst zum Wertstoffhof transportiert werden. Vielen ist das zu mühsam. Weshalb hin und wieder alte Sofas, ausrangierte Regalwracks und Ähnliches mit einem „Zu Verschenken“-Schild auf den Bürgersteigen parken. Manchmal sind die Sachen noch richtig gut und finden so ganz ohne offizielles Müllverwertungssystem, in Deutschland „Duales System“ genannt, ein neues Zuhause.

Abfallverwertung der etwas anderen Art
Manchen reicht das Sortieren allein nicht. Sie behalten das Aussortierte und machen daraus einen neuen Alltagsgegenstand oder Kunst. Eine Skulptur, eine Collage, eine Lampe und manchmal sogar ein Möbelstück. Hier erfolgt Recycling im kleinen Stil – Müll wird tatsächlich zum Rohstoff für ein neues Produkt.

Ein ganzes Materiallager voller Müll bietet Kunst-Stoffe in Berlin. Der Verein versteht sich als Umverteilungszentrum von Metall, Fliesen, Dekorationsmaterial, Farben, Holz, Stoffen, Plastik, Folien, Schaumstoff und weiteren Objekten die sich als „Materialen für Kultur“ eignen. Sogar Museums-Vitrinen sind im Angebot. Neben der Sammlung bietet Kunst-Stoffe Workshops und Projekttage für kreatives Gestalten mit Abfällen.

Durch solche Angebote soll das ökologische Bewusstsein gefördert werden. Das ist auch das Ziel von Müllkunstprojekten in vielen deutschen Grundschulen. Wer früh den Wert des Sortierens und Sammelns erkennt, trägt später dazu bei, dass die graue Tonne immer leerer wird. Und entwickelt sich vielleicht zu einem erfolgreichen Müllkünstler wie der New Yorker Justin Gignac, dessen simple Müllverwertungsmaßnahme zum Verkaufsschlager wurde. Er sammelt Straßenmüll, drapiert sie in Plexiglasboxen und verkauft diese für 50 Dollar das Stück, in erster Linie an Touristen. Bleibt die Frage, warum kein Deutscher auf diese clevere Idee kam.

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