„Jedes Mädchen sollte so lang wie möglich bei den Jungs kicken“

Julia Simic, Foto: Andrea GehwolfJulia Simic, 21, spielt bereits ihre sechste Saison beim FC Bayern München und ist rundum fußballbegeistert: sieben Trainingseinheiten pro Woche, jeden Sonntag ein Spiel. Dazu spielt sie in der deutschen U23-Nationalmannschaft.

Sie schaut auch gerne zu, dann allerdings lieber bei den Männern. Neben dem Fußball nimmt sie sich „zwangsläufig“ Zeit für ihr Sportstudium und verbringt die Restliche mit Freunden oder fährt nach Fürth zu ihrer Familie. Da muss der Abwasch in der Wohngemeinschaft mit Bayern-Kollegin Steffi Mirlach schon mal warten.

Wann und wie bist du zum Fußball gekommen?
Ich bin mit meinem zwei Jahre älteren Bruder und seinen Kumpels irgendwann mitgegangen zum Kicken und wollte von da an immer dabei sein. Ich hatte relativ jung schon mehr Kumpels als Freundinnen und habe in meiner Freizeit immer Fußball gespielt. Mit sechs Jahren habe ich im Verein angefangen. Mit 16 bin ich dann durch den Wechsel nach München das erste Mal in eine Frauenmannschaft gekommen.

Und die Jungs hatten nie etwas dagegen, dass ein Mädchen mitspielt?
Nein, gar nicht. Das ist immer eine Leistungsfrage. Ich konnte einfach gut mithalten und war auch oft besser als die Jungs. Bis 15 oder 16 kann ein Mädchen noch bei den Jungs spielen, da spielt die Athletik noch keine so große Rolle. Das lief aber immer über Sondergenehmigungen.

Hast du bei den Jungs mehr gelernt?
Ja, klar. Es gibt viel mehr und viel bessere Jungenmannschaften. Jedes Mädchen entwickelt sich dort einfach besser und schneller. Der Mädchen- und Frauenfußball bietet einfach nicht dieses Spektrum. Ich rate daher jedem Mädchen, so lange wie möglich bei den Jungs zu kicken. Es bringt einfach viel mehr.

Wo liegt der größte Unterschied zum Männerfußball?
Ich glaube in der Dynamik und der Spielschnelligkeit. Technisch und taktisch wird der Frauenfußball immer besser und steht dem Herrenfußball in nichts nach.

Was können die Frauen besser?
Frauen und Mädchen sind sehr diszipliniert und lernbegierig und versuchen, alles so umzusetzen, wie es ihnen beigebracht wird. Jungs ziehen vielleicht öfter ihr eigenes Ding durch. Ansonsten ist Frauenfußball ein extrem fairer Sport. Es gibt weniger Tätlichkeiten und das sollte man auch beibehalten. Er ist aber nicht weniger hart.

Wie fändest du ein Mixed-Game mit den Herren?
Rein freundschaftlich ist das eine gute Sache. Das würde auch bestimmt Zuschauer anziehen. Ernsthaft kann man das allerdings nicht durchführen. Es treffen ganz unterschiedliche Kräfte aufeinander. Männer haben eine ganz andere körperliche Voraussetzung. Bei den Laufduellen hätten wir keine Chance.

Die Bundesliga ist die beliebteste Fußball-Liga der Welt. Wie erklärst du dir das geringe Interesse an der Frauen-Bundesliga?
Ich glaube einfach, dass der Frauenfußball noch in der Entwicklung steckt. Mit dem DFB ist er aber auf einem guten Weg. Mittlerweile wird jedes Frauen-Länderspiel im Fernsehen übertragen und die Nationalmannschaft spielt vor ausverkaufter Kulisse. Bei der Bundesliga ist das ganz anders. Wir selber spielen ja teilweise nur vor 200 bis 300 Zuschauern. So wie einige Stadien aussehen, macht es keinen Spaß als Fan dort hinzugehen. Bei uns in Aschheim ist allein der Anfahrtsweg eine halbe Weltreise.

Wie lässt sich das ändern?
Man muss einfach so gut wie möglich für den Frauenfußball werben. Unsere Bundesliga wird öffentlich und medial kaum wahrgenommen. In den Sportsendungen werden Spiele aus der 3. und 4. Liga viel öfter gezeigt als die Frauen-Bundesliga. Viele wissen ja gar nicht, dass es eine Frauen-Bundesliga überhaupt gibt. Natürlich läuft auch viel über den Erfolg. Als wir vor zwei Jahren Vizemeister wurden, war das Interesse viel größer. Plötzlich spielten wir auch mal vor 3.000 Zuschauern.

Wie fühlt es sich an, wenn man im leeren Stadion spielt?
Ich denke, das ist klar: Da ist dann halt kaum Stimmung. Morgens um 11 Uhr in Aschheim kommt dann wenig Atmosphäre auf. Das ist wie bei einem Trainingsspiel. Aber man muss sich trotzdem für jedes Spiel motivieren können. Ich kann das ganz gut. Aber es macht natürlich mehr Spaß vor einer Riesen-Kulisse.

Gibt es Fans, die jedes Mal da sind, die ihr dann auch schon kennt?
Ja klar. Das ist ein fast schon familiäres Verhältnis. Die Leute, die an kalten Wintertagen den Weg nach Aschheim finden, die kennt man dann meistens auch. Man wünscht sich natürlich, dass man auch öfter ein paar unbekannte Gesichter sieht.

Welchen Fußball-Moment würdest du gern noch mal erleben?
Besonders schöne Momente zeichnen sich dadurch aus, dass sie meistens einmalig sind. Und das sollen sie auch bleiben. Wenn ich sie nochmal erleben würde, könnte es passieren, dass ich sie plötzlich ganz anders wahrnehme. So treiben sie mich an, neue, besonders schöne Momente zu erreichen. Gerne erinnere ich mich an das Jahr 2007 zurück. Ich spielte in der U19, wir wurden Europameister. Das war natürlich eine feine Sache. Auch die WM 2008 in Chile bleibt bei mir in bester Erinnerung. Wir sind zwar im Halbfinale gegen die USA ausgeschieden und wurden nur Dritter, trotzdem war das ein echter Höhepunkt. Vor allem diese Zuschauermasse mit 20.000 bis 30.000 Menschen, die für uns ja total ungewohnt war.

Welchen Moment möchtest du auf keinen Fall noch mal erleben?
Auch die schlechten Momente gehören dazu. Bei meiner zweiten U19-WM, bei der wir als klarer Favorit galten, sind wir im Halbfinale beim Elfmeterschießen unglaublich bitter ausgeschieden. Das war ein Spiel, bei dem wir einfach die Tore nicht gemacht haben. Eigentlich hätte es 4:0 ausgehen sollen. Noch schlimmer war allerdings die verschenkte Meisterschaft vor zwei Jahren. Wir waren acht oder neun Spieltage auf Platz eins und sind dann wegen eines fehlenden Tores nicht Meister geworden. Es ist wichtig, diese Momente nicht zu verdrängen, sondern sich ihnen zu stellen und sie zu analysieren. Mit etwas Abstand erkennt man dann meistens, dass man nicht einfach nur Pech hatte, sondern auch eigene Fehler zum Negativerlebnis beigetragen haben. Wenn man bereit ist, das anzunehmen, kann man aus diesen Momenten tatsächlich lernen und gestärkt daraus hervorgehen.

Was erwartest du dir persönlich von der WM 2011 in Deutschland?
Ich habe mich mittlerweile damit abgefunden, dass ich es nicht in den Kader geschafft habe. Aber die Folgesaison 2011/12 wird eine große Chance sein, sich neu zu beweisen. Dann will ich natürlich den Sprung vom U23-Nationalteam ins A-Team schaffen. Dafür werde ich noch härter im Verein arbeiten. Aber im WM-Jahr wird es auch für Spielerinnen, die nicht dabei sind, Möglichkeiten geben, sich zu präsentieren, weil der gesamte Frauen-Fußball in den Fokus rückt. Ich bin sehr gespannt, wie viel wirklich passieren wird und wie Deutschland darauf reagiert.